Kein Frieden ohne Gerechtigkeit

Pasquale Paolo Cardo Banksy @ Travessa do Judeu Lisboa, 12/03/17.

Pasquale Paolo Cardo Banksy @ Travessa do Judeu Lisboa, 12/03/17.

Für Freitag, den 13. Januar 2023, lädt die Initiative „Schweigen für den Frieden“ zu einem Gesprächsabend ein. Er findet von 19.30 bis 21.30 Uhr im Blickpunkt statt. Dr. Jörg Lüer von Justitia et Pax wird als Gesprächspartner zur Verfügung stehen und in das Gespräch einführen.

 

Dr. Jörg Lüer arbeitet als Geschäftsführer von Justitia et Pax, einer gemeinsamen Kommission des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) und der Deutschen Bischofskonferenz (DBK). Als ausgewiesener Experte für friedens- und entwicklungspolitische Fragen verfügt der Theologe über eine Vielzahl von Kontakten u.a. in die osteuropäischen Länder. In dieser Eigenschaft begleitet er den Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit der katholischen Kirche in Deutschland.

 

Der Überfall der russischen Föderation auf die Ukraine am 24. Februar 2022 stellt viele dahin geltende Gewissheiten in Frage: Die Politik des „Wandel durch Handel“ konnte den Krieg nicht verhindern. Die Abhängigkeit der Energieversorgung von russischem Gas und Öl mag Deutschland bis zum 24.2. des letzten Jahres vor imperialen Absichten Russlands geschützt haben. Aber kann eine Gesellschaft, die Solidarität und Menschenrechte in ihrer Gründungsurkunde verankert hat, ihre Hände in Unschuld waschen, wenn eine Gesellschaft in der Nachbarschaft überfallen wird?

 

Die demokratischen Gesellschaften Europas stehen in dem Dilemma, einerseits den Menschen in der Ukraine auch durch Waffenlieferungen beizustehen, damit das Land gegen die Aggression bestehen kann, anderseits einen dritten Weltkrieg zu verhindern. Angesichts dieses Dilemmas stellt sich die Frage, was die Option für Frieden heißen kann – und was ein gerechter Friede ist.

 

Nicht wenige Menschen in unserem Land fordern von der Ukraine, sich der Realität der russischen Übermacht zu stellen und das Friedensangebot des Präsidenten der russischen Föderation zu akzeptieren. Nur so könnten auch die Energiekrise, die Inflation und die drohenden Wohlstandverluste in Deutschland vermieden werden. Auch in Ibbenbüren war bei einer Montagsdemonstration die zentrale Parole der Friedensbewegung zu lesen: Frieden schaffen ohne Waffen. Jedoch stellt die Forderung nach ausnahmslosem Verzicht auf bewaffnete Gegengewalt eine versteckte Parteinahme für den Aggressor dar. Frieden kann nicht bedeuten, die Menschen in der Ukraine der Willkür und Gewalt der Besatzer zu überlassen – wie der Bundespräsident Steinmeier in seiner Weihnachtsansprache formuliert. Es gibt keinen Frieden ohne Gerechtigkeit!

 

Welche Perspektiven nach dem offensichtlichen Scheitern der Politik des Dialogs sind denkbar? Ist die Aufrüstung der Nato-Staaten alternativlos? Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, dass von einem gerechten Frieden gesprochen werden kann? Ist die Zivilgesellschaft in Deutschland ohnmächtig? Und: Welche Handlungsmöglichkeiten können die Ohnmacht überwinden und auch aus der Ferne zu einem gerechten Frieden in der Ukraine beitragen?

 

Wenn Gewissheiten und Selbstverständlichkeiten verloren gehen, dann muss man miteinander reden. Dann muss die schweigende Hoffnung auf gerechten Frieden für alle Menschen im öffentlichen Gespräch konkretisiert werden. Angesichts des Krieges gegen die Ukraine, der drohenden Wohlstandsverluste, aber auch der  großen Solidarität mit den aus den Bombardierungen nach Europa flüchtenden Frauen und Kinder, gibt es Orientierungsbedarf . „Wir müssen in all den Krisen beharrlich nach Lösungen suchen...gegen jeden Fatalismus.“– wie die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Annette Kurschus, in ihrer Neujahrsbotschaft formuliert.