Bruder-Klaus-Kapelle

Grundsteinlegung am 16. April 1967

Katholische Landvolkbewegung
Katholische Landjugendbewegung
des Kreises Tecklenburg
Ibbenbüren im April 1967

 

Das Katholische Landvolk und die Katholische Landjugend des Kreises Tecklenburg haben sich hier auf dem Dörenther Berg zusammengefunden, um die Grundsteinlegung einer Kapelle zu Ehren des hl. Nikolaus von der Flüe vorzunehmen.

 

Es ist Sonntag, der 16. April 1967.

 

Bevor wir vom Sinn und Zweck dieses Kapellenbaues berichten, wollen wir einen Blick ins Zeitgeschehen werfen, um denen, die einige hundert Jahre später – wie wir hoffen – diese Zeilen finden werden, kundzutun, unter welcher kirchlichen, beruflichen und politischen Leitung das Landvolk stellt.

 

Der Dörenther Berg liegt in der politischen Gemeinde Ibbenbüren und gehört zur Kirchengemeinde Dörenthe. Der erste und jetzige Pfarrer ist Pastor Wilhelm Jansen. Die Kirchengemeinde gehört zum Dekanat Ibbenbüren unter der Leitung von Dechant WesseIs, Pfarrer an St. Ludwig in Ibbenbüren. Das zweite Dekanat des Kreises Tecklenburg ist das Dekanat Mettingen, dessen Dechant Brüser Pfarrer in Steinbeck ist. Beide Dekanate gehören zum Bistum Münster. Unser Hochwürdigster Bischof ist Dr. Joseph Höffner. Oberhaupt der katholischen Kirche ist Papst Paul VI. Er ist der Nachfolger von Papst Johannes XXIII., der das II. Vatikanische Konzil einberief. Die katholischen Christen sind tief beeindruckt von den Beschlüssen des Konzils, deren Auswirkungen noch nicht abzusehen sind.

 

Wir, das katholische Landvolk, sind im religiösen und im wirtschaftlichen Bereich in einem großen Umwandlungsprozess begriffen. Das in uralter bäuerlicher Tradition verwurzelte Denken weicht einem wirtschaftlich-rationellen oder materiellen Denken. Der Grund und Boden, der Hof – von jeher als gewisses Heiligtum der bäuerlichen Familie angesehen – wird jetzt seines Mythos beraubt und ist nur noch ein Betrieb, um Geld zu verdienen. Die bäuerliche Familie, seit Generationen eine in sich abgeschlossene Einheit, muss sich zunehmend den weltlichen Einflüssen ihrer Umgebung öffnen. Radio und vor allem Fernsehen tragen auch in die entferntesten bäuerlichen Familien fremde Gedanken und Bilder.

 

Diese Kapelle hier wird errichtet in der Gemeinde Ibbenbüren, deren Bürgermeister seit sechzehn Jahren Heinrich Merge (CDU) ist. Ibbenbüren gehört zum Landkreis Tecklenburg, der zur Zeit zwei Städte und einundzwanzig Gemeinden umfasst. Landrat des Kreises Tecklenburg ist Laurenz Börgel aus Ibbenbüren. Die Zusammensetzung des Kreistages nach Parteien ist wie folgt:
20 Abgeordnete der Christlich Demokratischen Union,
16 Abgeordnete der Sozialdemokratischen Partei,
5 Abgeordnete der Freien Demokratischen Partei.


Das Land Nordrhein-Westfalen wird von einer SPD/FDP-Koalition regiert. Ministerpräsident ist Heinz Kühn von der Sozialdemokratischen Partei. In Bonn als Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland regiert eine Koalition der CDU und SPD. Bundespräsident ist Heinrich Lübke, Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger, die der CDU angehören.

 

Deutschland ist nach dem 2. Weltkrieg geteilt, einmal in die Ostzone, die sogenannte Deutsche Demokratische Republik, die über kein frei gewähltes Parlament verfügt, und zum anderen die Bundesrepublik Deutschland.

 

Die Bauern sind auf Ortsebene im Ortsverein, auf Kreisebene im Landwirtschaftlichen Kreisverband unter der Führung von Constantin Freiherr v. Heeremann zusammengeschlossen. Die Kreise sind im Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband vereint. Präsident ist Antonius Freiherr v. Oer. Die Landesverbände bilden den Deutschen Bauernverband, an dessen Spitze Präsident Edmund Rehwinkel steht.

 

Im folgenden Abschnitt soll versucht werden, die Geschichte der Katholischen Landvolkbewegung und der Katholischen Landjugendbewegung kurz darzustellen und der Nachwelt die Gründe für diesen Kapellenbau zu nennen.

 

Der 2. Weltkrieg hinterließ in Deutschland ein einziges Trümmerfeld. Bis zur Währungsreform im Jahre 1948 herrschte vielfach Hungersnot, und die Menschen hausten zum großen Teil in Notunterkünften. Als das Geld wieder seinen Wert bekam, begann in Deutschland der Wiederaufbau, der eine wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung ungeahnten Ausmaßes zur Folge hatte. Die Industrie wuchs und wuchs, sie brauchte Maschinen und Menschen und nochmals Menschen. Guter Lohn und geregelte Freizeit führten die Menschen in die Fabriken. Es begann eine Landflucht größten Ausmaßes, und der Bauer stand in kurzer Zeit ohne Arbeitskräfte auf dem Hof. Dies zwang ihn zum Umdenken, Maschinen statt Menschen mussten eingesetzt werden.

Die Betriebsstruktur musste neu durchdacht werden, Arbeitsketten waren sinnvoll aneinanderzufügen. Scharf musste gerechnet und geplant werden – kurzum, der Bauer wurde zum Unternehmer. Dieses wirtschaftliche Umdenken erforderte auch eine religiöse und geistige Neuorientierung. Mit dem plötzlichen Wachsen des Lebensstandards hatte eine starke Überbewertung des Materiellen eingesetzt. Um die geistig-religiösen Werte im Bauerntum wieder neu zu wecken, nahm sich der jetzige Weihbischof Heinrich Tenhumberg erstmals des Landvolkes an. In Bentlage b. Rheine fanden auf Diözesanebene die ersten Vortragstagungen statt. Rektor Wiggenhorn führte die Arbeit seines Vorgängers sinnvoll fort und versuchte eine erste Zusammenfassung von katholischen Bauern auf Ortsebene. In Steinbeck im Kreis Tecklenburg wurde 1958 die erste Gruppe von 18 Bauern auf Initiative von Bauer Heinrich Feldmann gegründet. Die Nachricht von dieser Gründung in der Tagespresse, die fett gedruckt wie folgt lautete: „Katholische Landvolkbewegung in Steinbeck gegründet“ rief den WLV auf den Plan. Man war der Meinung, in Steinbeck sei ein zweiter Bauernverband gebildet worden, woran aber nie gedacht war. Die Verhandlungen zwischen WLV und KLB zogen sich fast zwei Jahre hin. Während dieser Zeit stagnierte die Gruppe in Steinbeck wie auch die Arbeit auf Diözesanebene.

 

Dr. Homeyer verhalf dann endlich der KLB zum Durchbruch. Ihm gelang auch die völlige Einigung mit dem WLV. In den Jahren 1960-62 wurden in fast allen Orten des Kreises Tecklenburg Kernkreise der KLB gebildet. In den gleichen Jahren konstituierte sich auch ein Kreisvorstand, dem Gregor Korte als Kreisvorsitzender, Gerhard Konermann als Stellvertreter und Hermann Bögel-Windmeyer als Schriftführer angehören. Rektor Bettmer, Religionslehrer an der Kreisberufsschule und schon lange als Kreispräses der Katholischen Landjugendbewegung tätig, übernahm auch die geistliche Betreuung des Landvolkes. Neben den Arbeitskreisen fand auch eine rege Versammlungstätigkeit statt. Die Bauerntage in Bentlage wurden auf Kreisebene verlegt, um allen Bauern die Möglichkeit zu geben, daran teilnehmen zu können.

 

Mit der Landjugend gemeinsam wird auf Kreisebene jedes Jahr eine Aktion durchgeführt, um brennende, wichtige Probleme zu besprechen. Bisher wurden folgende Themen behandelt: die Bildungssituation auf dem Lande („Aktion Profit“), das Verhältnis zu den anderen Berufsständen („Aktion Kontakt“) und die „Aktion Brücke“ – „Wir und die anderen Christen“.

Neben dieser Bildungsarbeit möchte die KLB aber auch echte Hilfe für den Berufsstand leisten. So wurde durch die Initiative der KLB der Betriebshilfsdienst gebildet, Maschinengemeinschaften gegründet und in der Sozialgesetzgebung ist die Stimme der KLB nicht zu überhören. Kurz zusammengefasst: Die Aufgabe der KLB ist es, den Bauern von morgen für die ihm gestellten Aufgaben in Familie, Beruf, Staat und Kirche fähig zu machen.

 

Die Geschichte der Katholischen Landjugendbewegung liegt noch weiter zurück. Bereits vor dem 2. Weltkrieg waren Bestrebungen im Gange, eine KLJB zu gründen. Zur echten Konstituierung kam es dann aber erst nach dem 2. Weltkrieg, als die Behinderung des katholischen Vereinswesens durch den Nationalsozialismus zu Ende war. Die Gründungsversammlung im Kreis Tecklenburg war im November 1949 im Kolpinghaus in Ibbenbüren. Auf dieser Versammlung, zu der von der DiözesansteIle der Diözesanpräses Wilhelm Wissing, der Diözesanreferent Julius Petri und die Diözesanvorsitzende der Frauenjugend Maria Ostrick, jetzige Frau Homeyer in Harsewinkel, erschienen waren, wurde Heinrich Dassmann aus Dörenthe zum Kreisvorsitzenden gewählt. Die Wahl der Kreisvorsitzenden der Frauenjugend folgte wenig später; es wurde Ida Pielke aus Mettingen gewählt. In der Reihe der Vorsitzenden folgten dann Maria Schlichtermann, Josef Wibbelt, Maria Langemeyer, die später noch als Diözesanreferentin wirkte, Albert Bärtels , Margarete Artmeyer, jetzige Frau Bussmann-Wähle in Velpe, Alfons Fischer, Anneliese Langemeyer, jetzige Frau Käller in Worphausen b. Bremen. Zur Zeit bekleiden das Amt der Kreisvorsitzenden Josef Künnemann aus Dreierwalde und Doris Oeinghaus aus Laggenbeck.

Die Katholische Landjugendbewegung ist der organisatorische Zusammenschluss der katholischen Mannes- und Frauenjugend. Als junge Christen wollen die Mitglieder in Familie, Beruf und Öffentlichkeit ihren Dienst an der Welt wahrnehmen, wie es dem Auftrag der Kirche entspricht. Sie wollen das Wort Gottes ernst nehmen und mit der Welt konfrontieren, wie es in der Kirche verstanden und durch das Konzil wieder neu in den Vordergrund gestellt wird. Die KLJB ist Bildungs- und Aktionsgemeinschaft. Sie ist mit anderen Landjugendverbänden Nachwuchsorganisation für den Deutschen Bauernverband. In zahlreichen Gremien, Verbänden und Organisationen sind Mitglieder der KLJB tätig.

 

Die Katholische Landvolk- und die Katholische Landjugendbewegung stellten sich unter den Schutz des hl. Nikolaus von der FIüe, den Schweizer Bauern und einen der wenigen heiliggesprochenen Väter, die wir kennen. Als Bruder Klaus der Nachwelt bekannt, wollen wir kurz einiges aus seinem Leben sagen.

 

1417 in Flüeli geboren, heiratete er im besten Mannesalter eine Bauerntochter aus der Nachbargemeinde, Dorothee Wiess mit Namen. Er war nicht der Erbe des elterlichen Betriebes, sondern baute sich gemeinsam mit seiner Frau einen stattlichen Hof auf. Als aufgeschlossener Bauer brachte er es zu einem ansehnlichen Wohlstand. Er war im Gemeinderat, war Bürgermeister bereits mit 29 Jahren und war in vielen Ämtern ehrenamtlich tätig. Er erwarb sich Achtung und Wertschätzung durch seine Hilfsbereitschaft und seine Intelligenz. Seine Frau schenkte ihm zehn Kinder. Als das jüngste 3 Monate, er 50 Jahre alt war, verließ er offensichtlich auf höheren Ruf hin seine Familie und lebte als Eremit in der Ranft in der Nähe seines Hofes. 20 Jahre lebte er dort ohne Nahrung. Seinem Vaterland, der Schweiz, vermittelte er den Frieden von 1481, der bis heute andauert. Sein jüngstes Kind wurde Priester. Über 300 Priesterberufe sind aus seiner Nachkommenschaft bisher hervorgegangen. 1947 am 16. Mai wurde Nikolaus von der Flüe von Papst Pius XII. heiliggesprochen. Er ist uns heute ein Beispiel für Weltoffenheit und religiöse Tiefe.

 

Jedes Jahr findet vom Landvolk und von der Landjugend eine Wallfahrt nach Flüeli statt, an der der Kreis Tecklenburg immer gut beteiligt war. Rektor Bettmer versuchte als Geistlicher Beirat des Landvolkes und der Landjugend unermüdlich, den Heiligen im Landvolk bekannt zu machen. Erstmals warf er den Gedanken auf, eine Kapelle zu Ehren des hl. Bruder Klaus zu errichten. Er gründete eine Bruder-Klaus-Gebetsgemeinschaft die als geistige Untermauerung des Landvolkes und des Kapellenbaues gedacht war. Freudig beschlossen Landvolk und Landjugend, den Gedanken von Rektor Bettmer in die Tat umzusetzen. Eine erste Sammelaktion der Landjugend erbrachte für Alteisen 11.000 DM, ein guter Start. Zu aller Bedauern wurde dann Rektor Bettmer 1965 als Pastor nach Feldhausen versetzt. Entschlossen führten aber Landvolk und Landjugend die Vorbereitungen für den Kapellenbau fort. Es wurde ein Kapellenbauverein gegründet, der sich beim Amtsgericht Ibbenbüren ins Vereinsregister eintragen ließ. Aus dem Kapellenbauverein wurde ein Vorstand gewählt, der mit der praktischen Durchführung des Bauvorhabens beauftragt wurde. Dem Vorstand gehört an als 1. Vorsitzender Heinrich Dassmann, Dörenthe, Gregor Korte, Schierloh, Gerhard Konermann, Steinbeck, Ludger Pielke, Mettingen und Albert Bärtels aus Lehen.

 

Nach Konstituierung des Vereins wurde der Architekt Niederberghaus aus Mettingen mit dem Entwurf einer Kapelle beauftragt Man einigte sich später auf einen Entwurf, der etwa 40.000 DM kosten soll. Das Grundstück hier auf dem Dörenther Berg wurde von dem Bauern Theodor Wehmeyer aus Dörenthe in Erbpacht kostenlos zur Verfügung gestellt. Eine zweite Sammelaktion in DM wurde im Winterhalbjahr 1965-66 durchgeführt. Sie erbrachte etwa 17.000 DM. Nachdem Landvolk und Landjugend fast ein Jahr ohne Geistlichen Beirat waren, wurde im Frühjahr 1966 Kaplan Frye aus Hörstel vom Bischof Joseph als Kreislandseelsorger für den Kreis Tecklenburg ernannt. Freudig griff er das Werk des Landvolkes und der Landjugend auf und stellte seine Hilfe zur Verfügung.

 

Wir alle, die wir hier heute im Teutoburger Wald versammelt sind, wollen hoffen, dass dieses Werk glücklich zu Ende geführt wird, dass es für unsere Familien und unsere Jugendgruppen eine Stätte der Besinnung werden möge, den Tausenden von Wanderern zur stillen Einkehr dient und in den Worten des hl. Nikolaus von der FIüe „Der Friede ist allewegen in Gott“ seine Bedeutung finden wird.

 

Ibbenbüren/Dörenthe, im April 1967